Antimuslimische Kundgebung in der Düsseldorfer Innenstadt

Am 12. August 2022 fand in der Nähe der Düsseldorfer U-Bahnhof-Station Schadowstraße eine fünfstündige Kundgebung des extrem rechten und islamfeindlichen Vereins „Bürgerbewegung Pax Europa e.V.“ (BPE) statt, die ohne nennenswerten Gegenprotest blieb.


Foto: © twitter.com/Alerta0211

Schon seit Jahren veranstaltet die BPE quer durch die Republik Kundgebungen „zur Aufklärung über den Politischen Islam“. Zu den einzelnen Veranstaltungen reisen in der Regel etwa ein Dutzend BPE-Mitglieder an – ausgestattet mit reichlich Propaganda-Material. Als Hauptredner fungiert der ehemalige CSU-Lokalpolitiker und spätere „Die Freiheit“-Bundesvorsitzender Michael Stürzenberger aus München. Durch gezielte Provokationen erhofft sich der Verein eine mediale Aufmerksamkeit und einen Zuwachs an Mitgliedern. Nach eigenen Angaben wird eine Mitgliederzahl von 1.000 angestrebt.

Durchschnittlich 40 Teilnehmende

Im Verlauf der Veranstaltung in Düsseldorf, die in der gut frequentierten Einkaufszone für eine große Wahrnehmbarkeit sorgte, zeigten etwa 90 Personen ein besonders großes Interesse an der islamfeindlichen Stimmungsmache von Stürzenberger und Co. , verweilten also längere Zeit, applaudierten und sind deshalb als Kundgebungsteilnehmer*innen zu werten, wenngleich die meisten von ihnen nicht die gesamte Zeit über anwesend waren und auch das abschließende Absingen der deutschen Nationalhymne verpassten. Im Durchschnitt nahmen immer um die 40 Personen an der Kundgebung teil. Die zahlreichen, mit Zitaten versehenen Schilder erweckten bei vielen Passant*innen den vordergründigen Eindruck, dass die Kundgebung eine kritische Auseinandersetzung mit dem Islamismus ermöglichen sollte. Doch schon wenige Minuten nach Kundgebungsbeginn wurde durch Stürzenbergers Redebeiträge deutlich, dass die Kundgebung hauptsächlich antimuslimische Phrasen, absurde Theorien und „Fakten“ sowie Halbwahrheiten zu bieten hatte. Auch antisemitische Äußerungen waren durch Redner*innen des Vereins zu vernehmen, der sich selbst als „pro-israelisch“ bezeichnet.

„Schlimmer noch als die Nazis“

In einer Diskussion mit einem Passanten relativierte der wegen Volksverhetzung mehrfach vorbestrafte „PI-News“-Autor Stürzenberger den Nationalsozialismus und behauptete unter Bezug auf den Großmufti von Jerusalem, Mohammed Amin al-Husseini, dass radikale Muslime „einen Hass auf Juden in Perfektion“ hätten. Sie seien „schlimmer als die Nazis“. Diese Schuldabwehr-Rhetorik ist typisch für die nicht-neonazistische Rechte. Demnach würde sich der Antisemitismus heute in Deutschland „in viel höherem Umfang“ bei (radikalen) Muslimen zeigen als bei Neonazis. Auch bemühte der Redner wiederholt vereinzelte islamistische Akteure, die den NS und die Shoa unterstützt hätten.

In Diskussionen bagatellisierte er hingegen den historischen Antijudaismus und widersprach seinen eigenen Argumentationsschemata.
In seinen Reden unterschied Stürzenberger erwartungsgemäß nicht zwischen einzelnen islamistischen Predigern und Muslim*innen generell. Zitate von ungenannten Islamisten führte er stellvertretend für alle Muslim*innen an. Als geübter Redner der extrem rechten, rassistischen und antisemitischen Organisation PEGIDA („Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“) legte er zudem die eine oder andere bekannte Verschwörungserzählung nach: Er warnte vor einem Plan des „demografischen Dschihads“, in der extremen Rechten auch als drohender „Volkstod“ halluziniert. Muslim*innen würden demnach danach trachten, durch hohe Geburtenzahlen Europa zu unterwandern, um letztendlich einen islamischen Staat zu ermöglichen, in dem dann die Scharia herrschen würde. Die teilweise evangelikal beeinflusste BPE bezieht sich hierbei auf die Erzählung von einem angeblich harmonischen „christlich-jüdischen Abendland“ und versucht Jüdinnen*Juden gegen Muslim*innen in Stellung zu bringen.

In bester Gesellschaft…

Neben Stürzenberger fiel der ehemalige Islamist und V-Mann Irfan Peci durch Beleidigungen und Stimmungsmache auf. Peci leitete als Jugendlicher das deutschsprachige Propaganda-Netzwerk von Al-Qaida. Während seiner Inhaftierung wurde er vom Bundesamt für Verfassungsschutz angeworben, um als verdeckter Ermittler in der Dschihadistenszene zu agieren.((https://www.spiegel.de/politik/irfan-peci-vorzeigeaussteiger-hetzt-gegen-muslime-a-00000000-0002-0001-0000-000166611576)) Der vermeintliche Terrorismusexperte fällt seit mehreren Jahren durch antiziganistische und rassistische Äußerungen auf, zudem nahm er an mehreren Vorträgen der AfD teil.((https://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/irfan-peci-laesst-amt-im-expertenrat-gegen-antisemitismus-ruhen-a-1293906.html)) Als weiterer Redner trat Hans-Michael Höhne-Pattberg auf, der 2020 als Einzelbeweber mit 9,5 % (526 Stimmen) in den Integrationsausschuss der Stadt Krefeld gewählt worden war.((https://www.krefeld.de/de/inhalt/integrationsausschusswahl-elf-mitglieder-gewaehlt-sieben-sitze-frei/)) Berührungsängste zur extremen Rechten hat auch er nicht: Bereits am 7. Juli 2018 hatte der Krefelder „Islamkritiker“ auf einer AfD-Kundgebung in Kornwestheim (Kreis Ludwigsburg) gesprochen.((https://www.kornwestheimer-zeitung.de/inhalt.kornwestheim-rangeleien-am-rande-der-afd-demo.a643f534-0c69-41db-974d-534781d7f0fe.html))


Foto: Hans-Michael Höhne-Pattberg hält eine Rede
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An der Düsseldorfer BPE-Kundgebung beteiligten sich auch die lokalen AfD-Mitglieder/Funktionsträger*innen Florian Josef Hoffmann, Elmar Salinger, Zoran Stanojevic und Tamara Blinova sowie der Neonazi, frühere „Bürgerbewegung pro Deutschland“-Funktionär und seit Frühjahr 2020 bei den Düsseldorfer „Corona Rebellen“ aktive Sven Böhme. Auch mehrere Teilnehmer*innen der DÜGIDA-Demos aus 2015 wurden vor Ort gesichtet.

Viel Aufmerksamkeit – kaum Widerspruch oder gar Protest

Die Kundgebung erhielt durch ihre exponierte Lage an der stark frequentierten Einkaufsstraße und wegen der vielen plakativen Schilder relativ viel Aufmerksamkeit. Fehlender Gegenprotest ermöglichte es den Islamfeind*innen und Rassist*innen, ihre Propaganda großteils unwidersprochen über mehr als fünf Stunden in der Düsseldorfer Innenstadt zu verbreiten. Den islamfeindlichen Phrasen stellten sich zwar einige Passant*innen entgegen, darunter auch Muslim*innen, die allerdings schnell von einer Schar extrem rechter Medienaktivist*innen und aggressiver Kundgebungsteilnehmer*innen umstellt und verhöhnt wurden.


Foto: Irfan Peci und Michael Stürzenberger reden aggressiv auf
Passant*innen ein, die anderer Meinung sind.
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