Düsseldorfer AfD-Ratsfrau verbreitet NS-Propaganda

Seit April 2023 nutzt die Düsseldorfer AfD-Ratsfrau Andrea Kraljic den Kurznachrichtendienst Twitter. Die Düsseldorferin teilt dort häufig extrem rechte Inhalte anderer Accounts und veröffentlicht eigene Ansichten zu verschiedenen Themen. Inhaltlich reicht die Palette dabei von mehr oder weniger deutlichem Antisemitismus((https://twitter.com/InfoportalDUS/status/1653156238593540098)) ((Retweet antisemitischer Markierung am 10. Juni 2023)), bis hin zu offenem Rassismus und Nationalismus. ((https://twitter.com/AndreaKraljic/status/1665639218918375424)) ((https://twitter.com/AndreaKraljic/status/1671430214985891840))((https://twitter.com/AndreaKraljic/status/1670667819623563264)) ((https://twitter.com/AndreaKraljic/status/1667602710445662211)) 

Am 19. Juni 2023 re-tweetete Kraljic beispielsweise mit zustimmendem Kommentar einen bebilderten Tweet des extrem rechten Accounts @RoterDreck, der immer wieder durch die Veröffentlichung explizit rassistischer, nationalistischer und antisemitischer Inhalte auffällt.((https://twitter.com/AndreaKraljic/status/1670689854647140353)) Unter anderem teilt @RoterDreck leicht abgeänderte NS-Plakate sowie AfD-Werbung.((Tweet NS-Wahlplakat vom 19. Juni 2023)) ((Tweet Völkischer Nationalismus vom 19. Juni 2023)) ((Tweet Völkischer Nationalismus 2 vom 19. Juni 2023)) ((https://twitter.com/RoterDreck/status/1667668294780825601))
An jenem Tag hatte @RoterDreck das bekannte Plakat des „Hilfswerks Mutter und Kind“ mit einer stillenden Frau in der ikonografischen Tradition der Maria lactans, der stillenden Maria, mit einer geänderten Parole getweetet. Im Original von 1935 steht über der Figurengruppe „Deutschland wächst aus starken Müttern und gesunden Kindern“ und am unteren Plakatrand „Hilfswerk Mutter und Kind“.((https://ghdi.ghi-dc.org/sub_image.cfm?image_id=2045&language=german)) ((https://www.dhm.de/archiv/ausstellungen/grundrechte/katalog/69-71.pdf))
In der von @RoterDreck und Kraljic verbreiteten Version ist die Parole abgeändert in „Männer können Welten bauen – Ein Volk steht & fällt mit seinen Frauen“, und der Verweis auf das Hilfswerk fehlt. In dem Kommentar ihres Re-tweets bekräftigt Kraljiic diese Aussage und bezieht sie ausdrücklich auf ihre Partei: „Jede Frau die aktiv und präsent Ihr Gesicht in der AfD zeigt ist eine couragierte und stolze Frau, die für unser Land und unsere Werte steht!!!“ [Fehler im Original!]
Das „Hilfswerk Mutter und Kind“ war Teil der „Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt“ (NSV), einer Untergliederung der NSDAP. Im Kontrollratsgesetz Nr. 2 vom 10. Oktober 1945 zur „Auflösung und Liquidierung der Naziorganisationen“ wird die NSV explizit aufgeführt.((https://www.verfassungen.de/de45-49/kr-gesetz2.htm)) Die Verwendung des Symbols der NSV ist nach §86 StGB („Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen“) verboten und strafbar. Diese Verbote schließen alle Untergliederungen, sprich Hilfswerke, der NSV ein.

Links: Ursprüngliches Propagandaplakat der NS-Organisation „Hilfswerk Mutter und Kind“
Rechts: Propagandaplakat mit abgeänderter Parole und fehlendem Hinweis auf Ursprung

 

Die von @RoterDreck getweetete und von Kraljic weiterverbreitete Version des Plakats mit der abweichenden Parole ist nicht neu, sondern wird seit Jahren immer wieder von extremen Rechten verwendet.((Facebook-Profil „Deutsches Mädel“, Posting vom 23. Februar 2015 https://www.facebook.com/photo/?fbid=405970006229408&set=pb.100069180582554.-2207520000)) ((Facebook-Seite der NPD Mittelsachsen, Posting vom 9. Mai 2021 facebook.com/Npdmittelsachsen/photos/a.1446665128950792/2930173777266579/?type=3&locale=de_DE))
Wann diese Plakatversion erstmals in Erscheinung trat, kann nicht sicher rückverfolgt werden, doch die Aussage ist eindeutig: Die Urheber*innen tradieren nationalsozialistische Vorstellungen vermeintlich „natürlicher“, geschlechtsspezifischer Arbeitsteilung: Frauen sollten so viele „arische“ Kinder wie möglich gebären und erziehen, während Männer vor allem für Krieg zuständig sein sollten. Diese völkischen Ideale sind noch heute in diversen extrem rechten Zusammenhängen zu finden.

Aber auch die Parole „Ein Volk steht & fällt mit seinen Frauen“ wird ohne das Bild in völkischen, extrem rechten Kreisen verbreitet,  so z.B. von der „Gemeinschaft deutscher Frauen“, einer bundesweit aktiven NPD-nahen Frauengruppe.((

Das Umschlagfoto der Broschüre „Rechtsextreme Frauen – übersehen und unterschätzt, Analysen und Handlungsempfehlungen“ der Amadeu Antonio Stiftung (Dezember 2015) zeigt eine Neonazi-Demonstration von NPD und Kameradschaften in Hildesheim am 24. Februar 2007 unter dem Motto: Gegen Repression und Polizeiwillkür
https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/wp-content/uploads/2014/05/rechtsextreme_frauen_internet.pdf)) Auch sie ist historisch nicht unbelastet: Im März 1935 war sie Motto einer Veranstaltung des „Deutschen Frauenwerkes“ im Dresdner Ausstellungspalast.((Aus dem Reich der Frau – Die Frau am Werk; „Der Freiheitskampf“ Nr. 73, S. 8, 15. März 1935 https://hait.tu-dresden.de/ext/forschung/der-freiheitskampf-artikel.asp?id=15848))
 
In Gänze ist die Parole „Männer können Welten bauen – Ein Volk steht & fällt mit seinen Frauen“ auf der von Kralijc aufgegriffenen Plakat-Version keinesfalls neu. Sie geht zurück auf einen Text von Hedwig Dransfeld (1871-1925), die der konservativen, katholischen Frauenbewegung zuzurechnen ist.
Dass ein Mitglied des Düsseldorfer Stadtrats das Plakatmotiv des nationalsozialistischen „Hilfswerk Mutter und Kind“ in der bei Völkischen wie der NPD beliebten Aktualisierung verbreitet, ist ein Skandal. Doch Krajlic toppt es mit ihrem affirmativen Kommentar noch und macht deutlich, in welche Tradition ihre Partei, die AfD, sich im Frühsommer 2023 stellt.

Diskursverschiebung nach rechtsaußen

Die AfD verzeichnet aktuell bundesweit starke Ergebnisse bei Wahlumfragen.((https://www.tagesschau.de/inland/deutschlandtrend/deutschlandtrend-3370.html)) ((https://www.spiegel.de/politik/deutschland/sonntagsfrage-umfragen-zu-bundestagswahl-landtagswahl-europawahl-a-944816.html)) Bei der gestrigen Stichwahl zum Landrat im Thüringer Wahlkreis Sonneberg wurde erstmals ein AfD-Politiker in ein kommunales Spitzenamt gewählt. ((https://www.mdr.de/nachrichten/thueringen/sued-thueringen/sonneberg/stich-wahl-landrat-afd-cdu-sesselmann-koepper-100.html))
Dass Parteimitglieder straffrei und in zustimmender Weise NS-Bildmotive verbreiten, erschreckt und verstört. Insbesondere ist diese Haltung alarmierend, wenn AfD-Politiker*innen in Arbeitskreisen agieren, die sich für eine würdevolle Erinnerung an die Opfer des NS und/oder Opfer rechter Gewalt insgesamt einsetzen, und dort versuchen, Inhalte zu setzen.

Nach eigenen Angaben ist Andrea Kraljic Mitglied im „Arbeitskreis Stätten der Erinnerung“. Offenbar meint sie den bei der Bezirksvertretung 1 angesiedelten Arbeitskreis „Orte der Erinnerung“, dem sie als gewähltes BV1-Mitglied angehören darf. Am 6. Juni 2023 postete Kraljic ein Foto vom HSD-Campus in Düsseldorf-Derendorf und kündigte ihre Teilnahme an einem dort stattfindenden Workshop des Erinnerungsortes Alter Schlachthof zum Thema „Geschichten von (Zwangs)Migration und Flucht“ (mit Bezug auf die NS-Zeit) an.((Veranstaltungsflyer des „Erinnerungsortes Alter Schlachthof“ im Rahmen der Reihe: „Erinnern heißt Handeln!“ Thema im Sommersemester 2023: „Geschichten von damals und heute“ https://www.erinnerungsort-duesseldorf.de/images/Veranstaltungen/EHH_2023/EOAS_Flyer_23SoSe_WEB.pdf)) Einige Stunden später postete sie, dass in der Veranstaltung auch das Erstarken rechter Parteien thematisiert worden sei. Sie habe sich dazu, so Kraljic, „klar positioniert“: „Aber was soll ich sagen. Ich stand mit meiner Meinung allein.“((https://twitter.com/AndreaKraljic/status/1666119682116444160)) 

Relativierung und Affirmation des NS

 
In der „Alternative für Deutschland“ finden sich vor allem zwei mögliche Umgangsweisen mit der NS-Zeit, die sich nicht immer klar voneinander unterscheiden lassen: Zum einen ist eine Strategie von Verharmlosung und Relativierung zu beobachten, zum anderen eine – seltener öffentlich kommunizierte – Affirmation. 
Für letztere steht etwa der Thüringer AfD-Fraktionsvorsitzende, der schon öfters durch Verwendung von NS-Vokabular aufgefallen ist((https://www.br.de/nachrichten/kultur/rechte-rhetorik-wie-viel-ns-steckt-in-den-reden-von-hoecke,TgyLe3X)): Als studiertem Geschichtslehrer ist Björn Höcke dabei eine bewusste Nutzung der „lingua tertii imperii“ zu unterstellen: Eine Wahlkampfrede im Jahr 2021 in Merseburg beendete er beispielsweise mit dem SA-Wahlspruch „Alles für Deutschland“. Wegen dieser Äußerung hat der Justizausschuss des Thüringer Landtages die Immunität des AfD-Fraktionschefs aufgehoben, die Staatsanwaltschaft Halle hat mittlerweile Anklage erhoben.((https://www.zdf.de/nachrichten/politik/hoecke-anklage-staatsanwaltschaft-100.html))
 
Relativierende und verharmlosende Äußerungen aus der Partei beziehen sich nicht nur auf Gleichsetzungen von „links“ und „rechts“, sondern auch auf umfassendere Geschichtsdeutungen: Prominentes Beispiel dafür ist eine Rede des damaligen Partei- und Fraktionsvorsitzenden Alexander Gauland auf dem Bundeskongress der AfD-Jugendorganisation im Jahr 2018. Darin bezeichnete er „Hitler und die Nazis“ als  bloßen „Vogelschiss“ in einer vermeintlich „erfolgreichen“, gar „tausendjährigen“ deutschen Geschichte.((https://www.welt.de/politik/deutschland/article176912600/AfD-Chef-Gauland-bezeichnet-NS-Zeit-als-Vogelschiss-in-der-Geschichte.html)) ((Nicht nur werden so kolonialrassistische Verbrechen des Kaiserreichs oder die Schuld am ersten Weltkrieg als „erfolgreiche deutsche Geschichte“ impliziert: Es ist historisch völlig absurd zahlreiche, untereinander zerstrittene Fürstentümer einem irgendwie einheitlichen, „tausendjährigen“ und „deutschen“ Staatsgebiet zuordnen zu wollen. Ein solches existiert erst seit der Reichsgründung von 1871.))
Die Düsseldorfer Ratsfrau Andrea Kraljic stellt sich und ihre Partei mit ihrem Re-tweet und Kommentar in die NS-affirmativen Linie des Björn Höcke. Ihre Äußerung sollte auch in Düsseldorf die Aufmerksamkeit der Staatsanwaltschaft, vor allem aber des Rates, erfahren.
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