Fragwürdige Brauchtumspflege bei einigen Düsseldorfer Schütz*innen

In Düsseldorf treten Schütz*innenvereine derzeit durch diverse Umzüge und die Rheinkirmes prominent in Erscheinung. Nationalismus, Kolonialrevisionismus, sexistische Schlager sowie mutmaßliche Tierquälerei werden dabei als „Traditionen“ verklärt und dementsprechend beibehalten.

Beispielsweise wurde im Juni 2022 auf dem Werstener Schütz*innenfest eine schwarz-weiß-rote Standarte der „Deutschen Schutztruppe Düsseldorf-Wersten“ präsentiert. Auf der Standarte dieser Schütz*innengesellschaft prangte der republikfeindliche Schlachtruf „In Not und Tod – Treu schwarz weiss rot“.

Schwarz-weiß-rote Standarte der „Deutschen Schutztruppe Düsseldorf-Wersten“ auf dem Werstener Schütz*innnefest im Juni 2022, © Ddorf-aktuell

Durch Benennung sowie Art der Uniform, nahm die 1933 gegründete „Deutsche Schutztruppe Düsseldorf-Wersten“ Bezug auf die Kolonialarmee „Schutztruppe für Deutsch-Südwestafrika“.((https://www.ddorf-aktuell.de/2022/06/13/st-sebastianus-schuetzenverein-duesseldorf-wersten-happy-end-fuer-die-ewigen-majestaeten/))

Uniform der Schütz*innengesellschaft „Deutsche Schutztruppe Düsseldorf-Wersten“
Screenshot von der Website „Schützen Wersten“, Archiv-Bilder

Uniform der kolonialen „Schutztruppe für Deutsch-Südwestafrika“
Screenshot von der Homepage von Mathias Kuchenbrod

Diese Kolonialtruppe war Anfang des 20. Jahrhunderts für den Genozid an den Herero und Nama verantwortlich. Auf dem damaligen Gebiet des heutigen Staates Namibia beging die deutsche Kolonialtruppe von 1904 bis 1908 einen brutalen Genozid an den Bevölkerungsgruppen der Herero und Nama. Dabei starben zwischen 54.000 und 74.000 Herero und Nama, andere Quellen nennen bis zu 100.000 Tote.((https://www.bpb.de/kurz-knapp/hintergrund-aktuell/335257/voelkermord-an-herero-und-nama-abkommen-zwischen-deutschland-und-namibia/))

Oberbilker Schütz*innengesellschaft ehrt Kriegsverbrecher

Auch die „1. Deutsche Schutztruppe Düsseldorf-Oberbilk“ bezieht sich positiv auf deutsche Kolonialverbrecher. Die langjährig befreundeten Schütz*innengesellschaften der sogenannten „Schutztruppen“ aus Düsseldorf-Wersten und Oberbilk marschierten im Juni 2022 gemeinsam beim Werstener Schütz*innenumzug. Die seit 1926 bestehende „1. Deutsche Schutztruppen-Kompanie Düsseldorf-Oberbilk“ glorifiziert den Kommandeur der „Schutztruppe für Deutsch-Ostafrika“, Paul von Lettow-Vorbeck. Dem Kriegsverbrecher widmeten die Oberbilker Schütz*innen im Jahr 2000 eine Reiter*innentruppe.

„1. Reitertruppe von Lettow-Vorbeck Düsseldorf-Oberbilk“ beim Oberbilker Schütz*innenfest 2009

Die „1. Reitertruppe von Lettow-Vorbeck Düsseldorf-Oberbilk“ wurde nach eigenen Angaben mangels Interessent*innen aufgelöst.((Broschüre des Projektseminars „Kolonialismus vor Ort“ an der Heinrich-Heine-Universität (Sommersemester 2014), „Kolonialbewegung und Vereine in Düsseldorf“, S. 8 https://www.geschichte.hhu.de/fileadmin/redaktion/Fakultaeten/Philosophische_Fakultaet/Geschichtswissenschaften/Europaeische_Expansion/DateienBroschuere_Final-3.pdf)) Ein Bild des Kolonial- und Kriegsverbrechers Paul von Lettow-Vorbeck „ziert“ weiterhin eine Standarte der Oberbilker „Schutztruppe“.

Bild

„1. Deutsche Schutztruppe Düsseldorf-Oberbilk“ beim Oberbilker Schütz*innenfest 2019

In der 2018er-Festausgabe des „St. Sebastianus Schützenvereins Oberbilk von 1848 e.V.“ wurde unter dem Abschnitt „1. Dt. Schutztruppe“ auf Seite 119 stolz verkündet, dass „[d]er Kontakt zum Neffen des Paul von Lettow-Vorbeck […] wieder aufgenommen [wurde].“

Vom 30. Juli bis 2. August findet das diesjährige Oberbilker „Schütz*innenfest“ statt. Es bleibt abzuwarten, ob die sogenannte „Schutztruppe“ an der Verherrlichung des Kriegsverbrechers Paul von Lettow-Vorbeck festhält und der „St. Sebastianus Schützenverein“  dies weiterhin als „Tradition“ bagatellisieren wird.

Die „größte Kirmes am Rhein“ wird dieses Jahr von einer hitzigen Debatte über einen sexistischen Schlager begleitet.((https://www.spiegel.de/panorama/layla-auch-duesseldorfer-kirmes-verbannt-partysong-a-b53ffabc-36bf-47a6-93d8-cdecb780ee28)) Der Schütz*innenverein als Veranstalter*in wollte das Lied zunächst in bestimmten Festzelten nicht abspielen lassen, konnte sich damit jedoch nicht durchsetzen.((https://rp-online.de/nrw/staedte/duesseldorf/rheinkirmes-2022-duesseldorf-fdp-und-gruene-uneins-wegen-layla_aid-73170303))

Auf der Königsallee war am vergangenen Samstag ein Pferd während des Schütz*innen-Umzuges tot zusammengebrochen.((https://www1.wdr.de/nachrichten/rheinland/pferd-bricht-bei-schuetzenumzug-duesseldorf-zusammen100.html)) Eine Tierschutzorganisation wirft den Schütz*innen Tierquälerei vor und hat angekündigt ggf. Anzeige zu erstatten.((https://rp-online.de/nrw/staedte/duesseldorf/duesseldorf-pferd-bricht-bei-schuetzenumzug-auf-der-koe-tot-zusammen_aid-73026721)) Die Todesursache des Pferdes ist noch ungeklärt.

Nachtrag (23.07.2022) :

Reichskriegsflagge auf Düsseldorfer Schütz*innenfest

Auf dem diesjährigen Werstener Schütz*innenfest trat zudem eine weitere Gesellschaft mit fragwürdiger Symbolik in Erscheinung. Die „Erste Westdeutsche Marinekompanie Düsseldorf-Wersten“ stellte eine Standarte mit Reichskriegsflagge zur Schau. Auf der Standarte ist eine Seeschlacht-Szenerie zwischen britischen und deutschen Kriegsschiffen aus dem Ersten Weltkrieg abgebildet. Das Propagandabild „Der letzte Mann“ stammt ursprünglich von dem Marinemaler Hans Bohrdt.((https://de.wikipedia.org/wiki/Reichskriegsflagge#Deutsches_Kaiserreich))

Standarte der „1. Westdeutschen Marine Kompanie Düsseldorf-Wersten“ auf dem Werstener Schütz*innenfest im Juni 2022, © Ddorf-aktuell
Bereits im Jahr 2016 fiel die „Marine-Kompanie“ eines Düsseldorfer Schütz*innenvereins mit Reichskriegsflagge beim Heerdter Schütz*innenfest negativ auf.((https://rp-online.de/nrw/staedte/duesseldorf/schuetzen-aus-heerdt-ziehen-mit-reichskriegsflagge-durch-duesseldorf_aid-18479959)) Auch die Internetzeitung Ddorf-aktuell bzw. report-D hatte die Verwendung dieser Flagge im Juni 2017 zu Recht kritisiert.((https://www.ddorf-aktuell.de/2017/06/12/duesseldorf-wersten-marine-kompanie-marschiert-mit-reichskriegsflagge-zur-parade-78549/)) Offenbar führte die Kritik nicht zum Umdenken bei der „1. Westdeutschen Marine Kompanie Düsseldorf-Wersten“.
Dieser Beitrag wurde unter ARCHIV, LOCAL veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.