Rechte Gewalt in Köln und Düsseldorf

Zur Dokumentation: Artikel von Alexander Brekemann und Heike Weiding, lotta-magazin.de.

Ein richtig „geiler Tag“

DüGIDA-TeilnehmerInnen an Probsteigassen-Angriff beteiligt

Über 50 Personen aus dem HoGeSa-Spektrum hatten sich am Abend des 18. Januars in Köln versammelt, um sich auf den Weg zu einer öffentlichen Gedenkveranstaltung zu machen. Die Veranstaltung fand anlässlich des 14 Jahre zuvor verübten NSU-Bombenanschlags in der Kölner Probsteigasse statt. Glücklicherweise wurde die Gruppe kurz vor Erreichen ihres Zieles zufällig entdeckt, für 29 Personen endete die Aktion zirka 150 Meter vom südlichen Ende der Probsteigasse entfernt an einer Kirche im Polizeikessel. Der Rest flüchtete vor der Polizei in die umliegenden Seitenstraßen.
Mehr als ein Drittel der Gekesselten sind als mehr oder weniger regelmäßige TeilnehmerInnen an den Düsseldorfer DÜGIDA-Demos bekannt – und waren teilweise zuvor auch schon in Bonn (BOGIDA) und Köln (KÖGIDA) anzutreffen.

Ungefähr eine Stunde mussten die 29 Hooligans und Möchtegernhooligans im Polizeikessel verbringen. Ausgerüstet waren sie mit Pfefferspray, Quarzsandhandschuhen, einem Elektroschocker sowie allerlei Protektoren – in der Polizeisprache „Schutzbewaffnung“ genannt. Mitgeführte Pyrotechnik wurde unbemerkt von der Polizei an einem Fenster der Kirche entsorgt und in den umliegenden Gebüschen versteckt. Nach Feststellung der Personalien und einer Durchsuchung wurde die Gruppe in Richtung Hauptbahnhof entlassen. Dort warteten bereits jene „Kameraden“, die der Polizei entkommen konnten.

Dem WDR gegenüber gab die Polizei an, ein Teil der Gruppe sei zuvor mit der Bahn aus dem Ruhrgebiet angereist. In der Nähe des Appellhofplatzes hätten sich weitere Personen angeschlossen, die per Autokonvoi aus dem Bergischen Land gekommen seien. Ein Großteil der festgestellten Personen komme aus Essen, Oberhausen und Wuppertal. Später hieß es dann noch, dass bereits um 17.00 Uhr bekannt geworden sei, „dass ca. 20 Personen des rechten Spektrums beabsichtigten sollen, sich im Bahnhof Köln-Deutz zu treffen und sich möglicherweise zu der Versammlung in der Probsteigasse zu begeben“. Es seien „unverzüglich Aufklärungsmaßnahmen“ veranlasst worden. Um 18.30 Uhr sei dann der entscheidende Hinweis eines Augenzeugen gekommen. Die Gruppe sei letztendlich „im Bereich Christophstraße/Gereonsdriesch“ gestoppt worden. Ein Augenzeuge berichtete, dass sich die Gesamtgruppe auf Höhe des WDR-Gebäudes in zwei Gruppen aufteilte, die sich dann schnellen Schrittes in Richtung Probsteigasse bewegte. Es drängt sich die Frage auf, wieso sich trotz frühzeitiger Vorwarnung und trotz „polizeilicher Aufklärungsmaßnahmen“ über 50 Personen bis auf 150 Meter der Probsteigasse nähern konnten.

„presentz“ zeigen

In den sozialen Netzwerken feierten die Hooligans ihre Aktion als Erfolg. Schnell kursierte ein Foto – zuerst von einem DÜGIDA-Demoteilnehmer hochgeladen – , auf dem sich die später Gekesselten offenbar noch vor dem Eintreffen der Polizeihundertschaft zum obligatorischen Gruppenbild aufgestellt hatten. Von einem „geilen Tag“ ist dort die Rede, man habe „presentz“ (sic!) gezeigt und werde dies bald wiederholen.

Begonnen hatte der 18. Januar für die meisten Beteiligten aber nicht in Köln, sondern in Oberhausen. Eine größere Gruppe, die zu einem nicht unwesentlichen Teil identisch mit der später in Köln angetroffenen ist, posierte mittags in Oberhausen-Alstaden vor der Gaststätte „Filmriss“ für ein Gruppenfoto, auch ein Video wurde erstellt, aus dem zwischenzeitlich Auszüge veröffentlicht wurden. Ob der Angriffsversuch in Köln seit längerem geplant oder eine spontane Reaktion auf den von der Polizei verhinderten Plan war, trotz der verbotenen und anschließend ohne Klageversuch abgesagten Essener HoGeSa-Demo eben dort „presentz“ zu zeigen, bleibt offen. Nach Behördenangaben wurden an diesem Tag in Essen trotz des Verbots 104 dem HOGESA-Spektrum zugerechnete Personen angetroffen, 88 bekamen „Platzverweise für das Essener Stadtgebiet“, die restlichen wurden einkassiert. Bereits am 13. Januar hatte der am 18. Januar im Polizeikessel angetroffene Düsseldorfer Michael Scheuer – häufiger Teilnehmer an DÜGIDA-Demos – auf Facebook geschrieben: „warum ist nicht schon Sonntag Abend“, was für eine längerfristige Planung sprechen könnte.

Zu den KoordinatorInnen des Oberhausener Vortreffens – an dem auch Personen aus anderen Bundesländern teilnahmen, beispielsweise aus Rheinland-Pfalz – zählte offenbar der Oberhausener Neonazi Mario Leisering, der bereits mehrfach mit Ordnerfunktion und Megafon ausgestattet an DÜGIDA-Demos teilnahm. Auf seiner Facebook-Seite tauchte das Oberhausener Gruppenbild auch als erstes auf. Leisering ist Betreiber der „Ruhrpott Sicherheit“, die vor allem bei Konzerten der Band „Kategorie C“ zum Einsatz kommt. Bei der HoGeSa-Demo am 26. Oktober in Köln war er für die Technik auf dem Auftaktkundgebungsplatz zuständig. Ebenso wie für die Technik des stümperhaft organisierten HoGeSa-Benefizkonzerts am 24. Januar im Duisburger „Medienbunker“, das nach Intervention des Vermieters bereits am frühen Abend abgebrochen werden musste. Anmieterin der Räumlichkeiten war die Oberhausenerin Mägy Jakobides, auch sie war am 18. Januar dabei, Leisering dürfte mit zu den Organisatoren gehört haben.

Weitere Angriffe und zunehmende Vernetzung

Offenbar hat sich in den letzten Monaten eine stets gewaltbereite regionale HoGeSa-Struktur mit Schwerpunkt Ruhrgebiet – aber vom Einzugsgebiet her weit über das Ruhrgebiet hinausgehend – herausgebildet, die sich über Treffen und Foren koordiniert. Die Vernetzung findet aber auch statt über gemeinsame Konzertbesuche und durch die gemeinsame Teilnahme an GIDA-Demonstrationen. Was Demonstrationen betrifft, geschieht dies aktuell hauptsächlich in Düsseldorf (DÜGIDA), aber beispielsweise auch auf der letztendlich abgebrochenen PEGIDA-Demo am 14. März 2015 in Wuppertal. Angriffe aus diesem Kreis häufen sich. Die massive Bedrohung einer jungen Düsseldorferin durch einen DÜGIDA-Ordner und dessen Umfeld aus eben dieser Szene und der Angriff einer fünfköpfigen Gruppe nach einer DÜGIDA-Demo auf einen Mitarbeiter der Kinder- und Jugendorganisation „SJD – Die Falken“ in einer S-Bahn sind hierfür nur zwei Beispiele (siehe Chronologie weiter unten). Und es ist alles andere als ein Zufall, dass gleich mehrere AkteurInnen der genannten S-Bahn-Gruppe bereits am 18. Januar 2015 im Kölner Polizeikessel angetroffen wurden.
Die beschriebenen Angriffe und Angriffsversuche sind keineswegs Einzelfälle, sie gehören zum Standardprogramm dieser Szene. Quarzsandhandschuhe, Pfefferspray, Teleskopschlagstöcke, und/oder Messer gehören quasi zur Tagesausrüstung (manchmal auch Baseballschläger), allzeit bereit, wenn es die Situation und die Kräfteverhältnisse erlauben. Wäre es am 18. Januar 2015 in Köln tatsächlich zu einem überraschenden Angriff gekommen, hätte es auf jeden Fall Verletzte – wenn nicht Schlimmeres – gegeben. Wiederholungsgefahr besteht jederzeit, nicht zuletzt im Zusammenhang mit GIDA-Demonstrationen sowie Aktionen von HoGeSa und
„Gemeinsam-Stark Deutschland“.

Eine garantiert unvollständige Chronologie aus dem Raum Düsseldorf und Köln aus dem Jahr 2015

Bei der ersten Kölner KÖGIDA-Demonstration am 5. Januar 2015 löst sich nach Beendigung der Kundgebung eine Gruppe Neonazis und versucht, durch den Deutzer Bahnhof zu den GegendemonstrantInnen zu gelangen. Von einer Zwischenebene zum Gleisaufgang aus fliegen Flaschen, auch Hitlergrüße werden dargeboten.

Am 18. Januar 2015 versuchen über 50 Personen, eine Gedenkveranstaltung in der Kölner Probsteigasse anzugreifen. In letzter Minute werden sie zufällig entdeckt und anschließend dann von der Polizei gestoppt. Man sei „nur spazieren gewesen“ und habe eine „bestimmte Kneipe gesucht“, so einer der rechten Hools.
Am 19. Januar 2015 nehmen diverse am 18. Januar in Köln beteiligte Personen an der DÜGIDA-Demo in Düsseldorf teil – zusammen mit weiteren rechten Hooligans. Unter den DemoteilnehmerInnen befinden sich – wie regelmäßig auf GIDA-Demos – auch organisierte Neonazis. Sechs DÜGIDA-Anhänger werden kurz vor Erreichen des Kundgebungsplatzes von der Polizei kontrolliert. Im Gepäck haben sie Quarzsandhandschuhe und Teleskopschlagstöcke.
Drei Tage später, am 22. Januar 2015, werden in Köln bei sieben KÖGIDA-Demonstranten Pflastersteine, Messer, Schlagstöcke und Quarzsandhandschuhe gefunden.
Am 26. Januar 2015 werden erneut mindestens drei Personen in Düsseldorf festgenommen. Vorwurf: Hitlergruß zeigen, Quarzsandhandschuhe dabei, „Horst-Wessel-Lied“ singen.
Trotz – oder auch wegen der – Absage der KÖGIDA-Demo am 28. Januar 2015 tauchen acht Neonazis in Bahnhofsnähe auf und greifen Passanten mit Bierflaschen an. Mit dabei ist der Kölner Neonazi Jan Fartas sowie weitere am 18. Januar 2015 in Köln angetroffene Personen. Jan Fartas gehört zu den aktivsten Neonazis in Köln. Er war in den vergangenen Jahren an mehreren Angriffen beteiligt und steht zur Zeit unter Bewährung. Einigermaßen regelmäßig ist er auch auf DÜGIDA-Aktionen anzutreffen.
Am 2. Februar 2015 kommt es im Düsseldorfer Hauptbahnhof zu einem weiteren Angriff. Ein Teilnehmer der DÜGIDA-Demonstration – ausnahmsweise nicht aus dem rechten Hool-Spektrum – attackiert einen Gegendemonstranten und bricht diesem mit einem Kopfstoß die Nase.
Eine Gruppe betrunkener Neonazis zieht am Nachmittag des 28. Februar 2015 durch die Kölner Innenstadt. Unter Rufen wie „Sieg Heil“, „Heil Hitler“ und „Deutschland den Deutschen – Ausländer Raus“ marschiert der Trupp in Richtung Ebertplatz. Unterwegs werden Flaschen auf Passanten geworfen, die die Szene beobachten. Die Polizei verhaftet fünf Personen und findet ein verbotenes Einhandmesser. Unter den Verhafteten befindet sich erneut ein Teilnehmer am Angriffsversuch am 18. Januar 2015.
Ab dem 4. März 2015 tauchen auf der Facebook-Seite eines DÜGIDA-Ordners aus dem rechten Hooligan-Spektrum massive Drohungen gegen eine junge Düsseldorferin auf. Ein Foto ihres Klingelschildes wird veröffentlicht, es wird nach „Freiwilligen“ gesucht.
Am 9. März 2015 wird im Anschluss an eine DÜGIDA-Demonstration ein Mitarbeiter der Kinder- und Jugendorganisation „SJD – Die Falken“ in einer S-Bahn aus einer fünfköpfigen Gruppe heraus – alle zuvor bei DÜGIDA – mit Schlägen und Tritten angegriffen. Die meisten Personen aus dieser Gruppe wurden am 18. Januar 2015 in Köln angetroffen.
Am 14. März 2015 versuchen mehrere hundert rechte Hooligans auf einer PEGIDA-Kundgebung in Wuppertal die Polizeiketten zu durchbrechen, um GegendemonstrantInnen anzugreifen. Es bleibt beim Versuch, der zum Abbruch der Veranstaltung führt. Auch danach kommt es zu mehreren Angriffsversuchen.

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