Deutlicher Anstieg rechter und antisemitischer Gewalt in NRW in 2014

Das nordrhein-westfälische Innenministerium gab in der vergangenen Woche aktuelle Statistiken zu rechten und antisemitischen Straftaten bekannt.
Die Angaben beziehen sich dabei auf Delikte, die über das Jahr 2014 in Nordrhein-Westfalen registriert wurden.
Die rechts motivierten Straftaten wurden auf der Grundlage des Definitionssystems “Politisch motivierte Kriminalität Rechts“ (PMK-Rechts) erfasst.
Straftaten mit antisemitischem Hintergrund wurden durch das Definitionssystem “Politisch motivierte Kriminalität“ (PMK) registriert. Anwender beider PMK-Systeme ist das Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen.

Folgende Zahlen wurden als Antwort auf eine Anfrage einer Landtagsabgeordneten[1] bekannt gegeben.

Rechte Straftaten

Im Jahr 2014 wurden in Nordrhein-Westfallen 3.286 rechts motivierte Straftaten registriert. Im Vergleich zum Vorjahr ist dies ein Anstieg von 201 Delikten (vgl. Anstieg rechter und antisemitischer Gewalt in der Landeshauptstadt).
Unter diesen Straftaten befinden sich 370 Gewaltdelikte, davon sechs Branddelikte, ein Sprengstoffdelikt, acht Landfriedensbruchdelikte, 332 Körperverletzungsdelikte, 17 Widerstandshandlungen, drei Raubdelikte, zwei Erpressungen und ein Sexualdelikt.

Seit 2011 steigt die Zahl rechts motivierter Straftaten NRW jährlich an.[2]

Die Anzahl der verzeichneten Gewaltdelikte hat sich von 192 Delikten im Jahr 2013 auf 370 Delikte in 2014 erhöht.
In einer Pressemitteilung des NRW-Innenministeriums zur Vorstellung des aktuellen nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzberichtes heißt es zum deutlichen Anstieg der rechten Gewaltdelikte: „Dies ist vor allem auf die gewalttätigen Ausschreitungen am 26. Oktober 2014 in Köln zurückzuführen. Alleine 175 Straftaten stammen aus dem Umfeld dieser HoGeSa Demonstration.“[3]

Die meisten rechts motivierten Straftaten wurden 2014 demnach in Köln mit 413 Delikten erfasst. Es folgen Dortmund (269), Duisburg (138) und Düsseldorf (130) sowie Essen (110).
Auch die meisten rechts motivierten Körperverletzungsdelikte wurden 2014 in Köln (169) begangen. In Dortmund wurden 42 rechts motivierte Körperverletzungsdelikte erfasst, in Düsseldorf und Gelsenkirchen waren es jeweils acht und in Essen wurden sieben rechte Körperverletzungen gezählt.

In Wettringen wurden zwei rechts motivierte Branddelikte erfasst. In den Städten Duisburg, Essen, Köln und Warendorf wurden jeweils ein Branddelikt registriert.
Ein rechtes Sprengstoffdelikt wurde in Brilon verübt. Des Weiteren gab es in Mönchengladbach ein rechts motiviertes Sexualdelikt.

Nach Themenfeldern fanden sich die meisten rechts motivierten Straftaten unter den Oberbegriffen Nationalsozialismus/Sozialdarwinismus (2.108) und Hasskriminalität (1.020). Der Oberbegriff Nationalsozialismus/Sozialdarwinismus wurde von dem Unterthema Verherrlichung / Propaganda (2.064) angeführt.
Die zahlenmäßig höchsten Unterthemen des Oberbegriffes Hasskriminalität sind die Themen Fremdenfeindlich (805) und Antisemitisch (226).

Bei 3.817 eingeleiteten Ermittlungsverfahren wegen rechts motivierter Straftaten im Jahre 2014 in NRW ergaben sich:

    1. 686 erhobene Anklagen.

 

    1. 474 Verurteilungen.

 

    2.672 Verfahrenseinstellungen.

Rechte Straftäter*innen

Darüberhinaus wurden 2014 in Nordrhein-Westfalen 955 Straftaten der Allgemeinkriminalität erfasst, deren Tatverdächtige bereits als Tatverdächtige von Straftaten der PMK-Rechts in Erscheinung getreten sind.
[Update 16.06.2015]: Eine „Kleine Anfrage“ von zwei Abgeordneten an den Landtag Nordrhein-Westfalen ergab, dass im vergangenen Jahr 955 Straftaten ohne politischem Hintergrund 374 Tatverdächtigen zugerechnet werden, die bereits als Tatverdächtige von Straftaten der rechts motivierten Kriminalität erfasst wurden.[4]
Die meisten Straftaten ohne politischen Bezug von Tatverdächtigen mit PMK-Rechts-Hintergrund in Nordrhein-Westfalen wurden im vergangenen Jahr in Bochum (74) erfasst. Weitere Städte mit hoher Anzahl sind Dortmund (57), Duisburg (40), Bielefeld (39), Gelsenkirchen (36), Essen (34), Wuppertal (32) und Köln (30).
In Düsseldorf wurden 15 Straftaten der Allgemeinkriminalität erfasst – davon drei Körperverletzungsdelikte, ein Sachbeschädigungsdelikt und elf „Sonstige Delikte“ (3 Verstöße gg. das BtMG, 4 Diebstähle, 1 Erregung öffentlichen Ärgernisses, 1 Nachstellung, 1 Notrufmissbrauch und 1 Verstoß gg. das WaffG).

Düsseldorf

In Düsseldorf wurden 2014 insgesamt 130 rechts motivierte Delikte erfasst. Das sind 28 rechte Straftaten weniger als im Jahr 2013.

Detaillierte Darstellung der rechts motivierten Straftaten im Jahr 2014:

Gemeinde Anzahl Verteilung auf die Deliktsgruppen
Düsseldorf 130 8 Körperverletzungsdelikte,
3 Bedrohungs-/Nötigungsdelikte,
7 Sachbeschädigungsdelikte,
62 Verstöße gegen §§ 86, 86a StGB,
17 Volksverhetzungsdelikte,
29 Beleidigungsdelikte,
4 Verstöße gegen das Versammlungsgesetz

Im Vergleich zum Jahr 2013 ergibt sich für rechts motivierte Straftaten in Düsseldorf folgendes Bild:

  • 4 Körperverletzungsdelikte weniger
  • 1 Sachbeschädigungsdelikte mehr
  • 24 Verstöße gegen §§ 86, 86a StGB weniger
  • 7 Volksverhetzungsdelikte weniger
  • 9 Beleidigungsdelikte mehr
  • 3 Verstöße gegen das Versammlungsgesetz weniger

Außerdem wurden im Jahre 2014 ein 26-jähriger und 29-jähriger Mann wegen des Tatverdachts PMK-Rechts in Düsseldorf festgenommen.

Antisemitische Straftaten

Auf der Grundlage des Definitionssystems “Politisch motivierte Kriminalität“ (PMK) wurden im Jahr 2014 in Nordrhein-Westfalen insgesamt 351 Straftaten mit antisemitischem Hintergrund erfasst.
Dies ist ein deutlicher Anstieg von 114 Delikten im Vergleich zu 2013.
Unter den Straftaten mit antisemitischem Hintergrund befinden sich 19 Gewaltdelikte (+ 6), davon drei Branddelikte, 13 Körperverletzungsdelikte, zwei Widerstandshandlungen und ein Raubdelikt.

Bis zum ersten Halbjahr 2014 wurden 84 Delikte mit antisemitischen Hintergrund registriert (vgl. Rechte und antisemitische Gewalt in Düsseldorf – erstes Halbjahr 2014).

Ein Multiplikator der antisemitischen Straftaten im zweiten Halbjahr ist mit hoher Wahrscheinlichkeit die Fülle an anti-israelischen Veranstaltungen, die sich während der „Operation Protective Edge“* bundesweit ereigneten.
* Die Militäroperation der israelischen Verteidigungsstreitkräfte war die Reaktion auf den zuvor anhaltenden Raketenbeschuss Israels durch die radikalislamische Hamas und andere militante palästinensische und islamistische Gruppen aus dem Gazastreifen.

Für eine Bewertung des Anstiegs der antisemitischen Straftaten in der zweiten Hälfte von 2014 gibt die Antwort des NRW-Innenministeriums keinen Aufschluss.
Im Gegensatz zu den rechts motivierten Straftaten, fehlt die detaillierte Darstellung antisemitischer Straftaten nach Themenfeldern.
Dieser Punkt wurde in der Anfrage nicht berücksichtigt.

Die rechts motivierten Straftaten sind – aufgrund ihrer Anfrage – nach Themenfeldern aufgelistet[5]: Im zweiten Halbjahr wurden beispielsweise unter dem Oberbegriff Krisenherde/Bürgerkriege und dem Unterthema davon Israel-Palästinenser-Konflikt Anz. 15 angegeben.

Die 351 Straftaten mit antisemitischem Hintergrund sind durch die Definitionssysteme „PMK-Ausländer“, PMK-Links, PMK-Rechts und „PMK-Sonstige/nicht zuzuordnen“ gegliedert.

Das Definitionssystem PMK-Rechts registrierte 226 Straftaten mit antisemitischen Hintergrund. Davon entfielen ein Branddelikt, sieben Körperverletzungsdelikte und ein Raubdelikt. Im ersten Halbjahr 2014 wurden insgesamt 78 Straftaten registriert.

Mittels des zweifelhaften Definitionssystems „PMK-Ausländer“ wurden 98 Straftaten mit antisemitischem Hintergrund gezählt – davon zwei Branddelikte, fünf Körperverletzungsdelikte und zwei Widerstandshandlungen. Im ersten Halbjahr wurden drei Straftaten erfasst.

Das Definitionssystem „PMK-Sonstige/nicht zuzuordnen“ erfasste 22 Straftaten. Im ersten Halbjahr wurden drei Straftaten gezählt.
Das Definitionssystem PMK-Links registrierte fünf antisemitische Straftaten – davon ein Körperverletzungsdelikt. Im ersten Halbjahr wurde keine Straftat erfasst.

Die meisten Straftaten mit antisemitischen Hintergrund in NRW wurden 2014 in Düsseldorf begangen (20 Delikte). In Köln wurden 17 Straftaten gezählt, in Duisburg waren es 14 und in den Städten Dortmund und Essen wurden jeweils 12 antisemitische Straftaten registriert.

In Dortmund wurden zwei antisemitisch motivierte Körperverletzungsdelikte registriert. Jeweils eine antisemitische Körperverletzung wurde in den Städten Bochum, Gelsenkirchen, Krefeld, Monschau und Raesfeld ermittelt.
In Duisburg wurde ein Branddelikt mit antisemitischen Hintergrund erfasst. Ein Raubdelikt wurde in Köln gezählt.

Im Jahre 2014 wurden in NRW insgesamt 318 Ermittlungsverfahren in Sachen antisemitisch motivierter Straftaten eingeleitet. Es ergaben sich:

    1. 57 Anklagen.

 

    1. 40 Verurteilungen.

 

    236 Verfahrenseinstellungen.

Eine „Kleine Anfrage“ von zwei Abgeordneten an die nordrhein-westfälische Landesregierung ergab, dass sich die aktuelle Anzahl der Straf- und Gewalttaten mit antisemitischem Hintergrund auf dem Höchststand der letzten 10 Jahre befindet.[6]

Düsseldorf
Straftaten mit antisemitischem Hintergrund im Jahr 2014:

Gemeinde Anzahl Verteilung auf die Deliktsgruppen
Düsseldorf 20 1 Bedrohungs-/Nötigungsdelikt,
3 Sachbeschädigungsdelikte,
5 Verstöße gegen §§ 86, 86a StGB,
5 Volksverhetzungsdelikte,
6 Beleidigungsdelikte

Im Vergleich zum Jahr 2013 ergibt sich damit folgendes bei den antisemitisch motivierten Straftaten in Düsseldorf:

  • – 1 Körperverletzungsdelikt
  • + 1 Bedrohungs-/Nötigungsdelikt
  • 3 Verstöße gegen §§ 86 und 86a StGB mehr
  • 5 Volksverhetzungsdelikte weniger
  • 5 Beleidigungsdelikte mehr

Die antisemitischen Straftaten in Düsseldorf sind im Jahre 2014 um drei Delikte angestiegen.

Die umstrittenen polizeilichen Erfassungssyteme der „Politisch motivierten Kriminalität“ (PMK) weisen nach Ansicht ihrer Kritiker*innen, die zum Teil auch aus öffentlichen Behörden kommen, Mängel in der Definition und in der Praxis auf.
Zudem ermitteln die PMK-Systeme die Dunkelziffern des deutschen Alltagsrassismus und Antisemitismus nur unzureichend.

Ansicht der Beratungsstelle von Betroffenen rassistischer Diskriminierung Opferperspektive e.V.

Rechte Gewalt – Definitionen und Erfassungskriterien

  1. [1] http://gruene-fraktion-nrw.de/aktuell/aktuelldetail/nachricht/rechte-und-antisemitische-straftaten-nehmen-in-nrw-zu.html [zurück]
  2. [2] http://gruene-fraktion-nrw.de/fileadmin/user_upload/ltf/Bilder/Themen/Rechtsextremismus/Vergleichstabelle_PMK_Rechts_2011-2014.pdf [zurück]
  3. [3] http://www.mik.nrw.de/presse-mediathek/aktuelle-meldungen/archiv/archiv-meldungen-im-detail/news/weiter-verschaerfte-sicherheitslage-durch-gewaltbereite-salafisten-und-rechtsextremisten-innenmin.html [zurück]
  4. [4] http://www.ruhrbarone.de/wp-content/uploads/2015/06/Anlage-3_Del_Orte_Allg-Krim_zu_Frage_21.pdf [zurück]
  5. [5] Screenshot: Antwort des NRW-Innenministeriums auf Anfrage (3. Frage PMK-Rechts) der Landtagsabgeordneten Verena Schäffer vom 18.05.2015 http://afaarea.blogsport.de/images/ScreenshotNRWInnenministerium.png [zurück]
  6. [6] http://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMD16-7996.pdf [zurück]

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2 Antworten zu Deutlicher Anstieg rechter und antisemitischer Gewalt in NRW in 2014

  1. AIpD sagt:

    Die Quellen für die Angaben finden sich in den Fußnoten.

  2. Ursula sagt:

    Hallo,
    ich schreibe gerade eine Seminararbeit zum Thema politisch motivierter Kriminalität, und suche verzweifelt nach offiziellen Daten zu der Anzahl politisch motivierter (rechts) Straftaten in der Stadt Köln.
    Wäre es möglich, von Ihnen die offizielle Quelle zu folgender Aussage aus Ihrem Bericht zu bekommen: „Die meisten rechts motivierten Straftaten wurden 2014 demnach in Köln mit 413 Delikten erfasst“?

    mit freundlichen Grüßen

    Ursula B.

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