Extrem rechte Demonstration „Ami go home – Gemeinsam für das Völkerrecht“ am 4. Dezember – Eine Rückschau

Am letzten Sonntag versammelten sich Anhänger*innen verschiedener Rechtsaußenspektren zu einer Kundgebung auf dem Bertha-von-Suttner-Platz hinter dem Düsseldorfer Hauptbahnhof. Das Motto der Veranstaltung „Ami go home – Gemeinsam für das Völkerrecht“ ließ bereits im Vorfeld die inhaltliche Ausrichtung erahnen: Antiamerikanismus, antisemitische Verschwörungserzählungen und „Reichsbürger“-Thematik. Antifa-Infoportal Düsseldorf berichtete. Antifaschistischen Protest gab es bis auf ganz wenige sichtbare und hörbare Ausnahmen einiger weniger Personen keinen.

Die Versammlung wurde maßgeblich vom Düsseldorfer Neonazi-Hooligan Carolus „Flecky“ Flach organisiert. Flach war in den Wochen vor der Düsseldorfer Veranstaltung zunehmend auf den rechts-offenen bis offen extrem rechten Demos der PandemieLeugner*innen im westlichen bis mittleren Ruhrgebiet anzutreffen, insbesondere jenen in Oberhausen und Essen-Borbeck. In Oberhausen demonstriert jeden Mittwoch eine Ruhrgebiets-Mischszene mit Nähe zu Hooligans und vigilantistischen Gruppen wie der „First Class Crew“ aus Essen. Die Teilnehmer*innen überschneiden sich stark mit freitags in Essen stattfindenden, analogen Demos. Diese Termine boten Flach, der sich z.B. durch Bannerspenden als Gönner und Macher zu positionieren versuchte, eine Plattform zur Vernetzung und zum Aufbau einer führenden Rolle, deren Ausdruck die Versammlung am 4. Dezember 2022 in Düsseldorf war. Besonders sichtbar waren an dem Tag in Düsseldorf die Essener „Ruhrpottlöwen“, in deren Telegram-Gruppen und -Kanälen Flach einer der Admins ist.

Auftaktversammlung

Während der knapp einstündigen Sammlungs- und Auftaktphase zeichnete sich bereits ab, dass die Demonstration eine Niederlage für Flach werden würde. Mehr als 75 Versammlungsteilnehmer*innen fanden sich auf dem sonntags kaum von Passant*innen frequentierten Bertha-von-Suttner-Platz nicht ein. Juliane Hermann von der Essener Gruppe „Ruhrpottlöwen“ eröffnete die Versammlung.


Juliane Hermann und Carolus Flach tragen beide eigens für die Demo angefertigte Hoodie

Anschließend gab Flach eine Aneinanderreihung kruder Forderungen und Erklärungen zum Besten. Er lobte sich selbst für die vermeintliche Einigung und Zusammenführung diverser Gruppen, von denen einzelne allerdings aus kaum mehr als einer Person bestehen dürften. Weiter bediente er sich des bekannten antisemitischen Stereotyps von „Marionetten“ und überraschte kritische Beobachter*innen mit der Feststellung, es sei an der Zeit, dass der Zweite Weltkrieg beendet werde.

Auftaktrede von „Flecky“:

Nach [gemeint war: vor] langer Zeit […] waren wir alle gemeinsam auf die Straße wegen Corona. Jetzt sind wir hier auf die Straße gekommen, […] um den Ami zu sagen, dass sie nach Hause gehen sollen. Wir wollen keine Besatzungsmacht in Deutschland. Wir wollen kein Krieg mit Russland und kein NATO in Europa. Die NATO ist ein Kriegstreiber, gesteuert durch das amerikanische Regime. Und Ramstein die Airbase, wo alles von gesteuert wird. Die Drohnen sollen sich aus Deutschland verpissen. Weil wir sind das deutsche Volk, wir sind die deutsche Jugend, die für unsere Freiheit, Frauen und Kinder auf die Straße gehen. Eine Atombombe auf Ramstein, und wir sind alle weg. Das muss aufhören. Die Besatzungsmacht muss raus. Raus, raus aus der NATO! [] Lassen wir Düsseldorf und die Welt mal zeigen, dass der Ami nach Hause gehen soll. Wir wollen auch, dass die Marionetten in Berlin einfach gehen. Das Volk wird die Regierung bilden durch die Versammlungsgebende Versammlung [Er meinte dieVerfassungsgebende Versammlung“]. Es wird Zeit, dass Deutschland wieder souverän wird, der Zweite Weltkrieg beendet wird, der noch immer nicht beendet wird. Wir brauchen einen Friedensvertrag für das deutsche Volk. Die Alliierten sollen raus, weil wir sind ein Souverän. Ich bin ein freier Mensch – und nicht ein alliierter Besatzungsmacher [hat] zu bestimmen, was wir hier machen oder treiben.“

Den anschließenden Redner stellte Flach als „Kamerad Konny vonne Gelsen-Szene“, also als angeblichen Schalke-Hooligan, vor. Dieser „Friedensdemo“-Redner trug ein T-Shirt mit der Abbildung eines Schlagrings und der Aufschrift „Gewalt ist eine Lösung“. In seinem Beitrag echauffierte er sich u.a. über den „Finanzminister [sic!] Habeck, der nicht weiß, was eine Insolvenz ist“.

Bevor sich der Aufzug formierte, präsentierte der „Reichsbürger“-Rapper Sascha Vossen aka „Master Spitter“ aus dem Rhein-Kreis Neuss seinen Song „Deutschland, ein Land liegt im Sterben“, den er nach eigener Anmoderation bisher nur „einmal“, nämlich „vor dem Reichstag“ gesungen“ hätte. Neben einer Jacke und Hose mit mehreren „Corona Rebellen Düsseldorf“-Schriftzügen trug er eine Baseball-Kappe mit der Aufschrift „Team KRD“ und dem Logo der „Reichsbürger“-Gruppierung „Königreich Deutschland“. Nach dem „Reichsbürger“-Song erläuterte Vossen kurz seine Fiktion. Die Bundesrepublik Deutschland sei ein „Verwaltungskonstrukt der Alliierten“ und die Lösung ein neues staatliches Konstrukt. Seine persönliche Präferenz sei das „Königreich Preußen“, noch lieber das „Königreich Deutschland“. Zudem nannte er weitere Gruppen aus dem „Reichsbürger“-Milieu, wie z.B. die „Verfassungsgebende Versammlung“ (276er), die zu den Mitaufrufern der Demo gehörte, „W[ahl]K[ommission] Rheinprovinz“ und „Freistaat Preußen“. Er forderte die Zusammenarbeit all dieser untereinander verfeindeten und gegeneinander um Anhänger*innen werbenden Gruppen. Seinen Vorschlag versuchte er mit der Aussage zu untermauern, dass bereits 4,6 Millionen Menschen den „gelben Schein“ hätten. Damit meinte er nicht etwa eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, sondern den Staatsangehörigkeitsausweis, der in der „Reichsbürger“-Szene einen hohen symbolischen Wert als Beleg der persönlichen Nichtanerkennung bundesdeutscher Identitätsdokumente (Personalausweis, Reisepass) hat.

Vor Abmarsch der Demonstration kontrollierte die Polizei die Fahnen, wobei offenbar die Länge der Fahnenstöcke vorrangiger Beanstandungsgrund war. Eine übergroße Fahne mit dem Motto der Koppelschlösser der Wehrmacht („Gott mit uns“) bestand die Prüfung, ebenso eine Fahne in den Reichsfarben schwarz-weiß-rot.


Versammlungsteilnehmer präsentiert Schal im Reichskriegsflaggen-Stil

Demonstration und Zwischenkundgebung

Nun also setzte sich der überschaubare Zug aus Neonazis, rechten Hooligans, Personen aus dem „Reichsbürger“-Milieu und Pandemieleugner*innen in Bewegung. Am Ende der Demo gingen Mitglieder der Essener „First Class Crew“ („Steeler Jungs“ und „Huttroper Jungs“) sowie der seit längerem ohne Abzeichen auftretenden „Bruderschaft Deutschland“, nebst Umfeld aus dem Ruhrgebiet. Dieser etwa 20-köpfige Demoteil setzte sich schon nach etwa 600 Metern ab. Die Internetzeitung „Ddorf-aktuell“ berichtete, die Abtrünnigen hätten den eingesetzten Polizeikräften als Grund genannt, dass sie ein Problem mit dem Alkoholkonsum einzelner Demoordner während des Umzuges hätten.[1]https://www.ddorf-aktuell.de/2022/12/04/duesseldorf-mini-demo-von-rechtsradikalen-unter-dem-motto-ami-go-home-halbiert-sich-kurz-nach-dem-start/ Naheliegend ist, dass es „Jungs“ und „Brüdern“ unangenehm war, in einer derartigen Demonstration gesehen zu werden. Schon bei der Auftaktkundgebung hatten sie die meiste Zeit eher gelangweilt am Rande des Bertha-von-Suttner-Platzes verbracht.

Unter den Demoteilnehmer*innen befand sich auch der Düsseldorfer Neonazi und „Corona Rebell“ Sven Böhme, der einmal mehr als Ordner fungierte. Auch weitere Personen, die von den „Corona Rebellen Düsseldorf“ oder ihrer Nachfolge-Gruppe „Freie Düsseldorfer“ bekannt sind, übernahmen Aufgaben. Mit Parolen wie „Europa mach‘ die Grenzen dicht“ und „Raus aus der NATO!“ zog der Aufzug durch den nördlichen Teil des Stadtteils Oberbilk. Am US-Generalkonsulat an der Willi-Becker-Allee rief der von Carolus Flach angeführte Aufzug „Besatzer raus!“ in Richtung des US-Konsulats.
Ziel der Demo war das Generalkonsulat der Ukraine an der Immermannstraße. Dort wurde ein Banner mit durchgestrichener Ukraine-Flagge und der Aufschrift „Wer die Ukraine unterstützt, ist Kriegstreiber“ präsentiert.


Pkw mit über die Motorhaube gespanntem „Wer die Ukraine unterstützt, ist Kriegstreiber“-Banner parkt vor dem Generalkonsulat der Ukraine in Düsseldorf

Der Niederländer Carolus Flach forderte seine Mitmarschierer*innen – „anständige deutsche Bürger, die hier für ihr Vaterland stehen und keine Kriegstreiber unterstützen“ – zu einem „stillen Protest“ auf. Die Zwischenkundgebung fand an der Ecke Immermannstraße/Charlottenstraße statt, in etwa 50 Meter Entfernung zum Konsulat. Jörg Wieners von der „Verfassungsgebenden Versammlung“ (sog. „276er“), der von seinen Auftritten bei Pandemieleugner*innen-Veranstaltungen im Ruhrgebiet bekannt ist, hielt eine längere „Reichsbürger“-Rede, die im ersten Teil aus der Verlesung aus dem Zusammenhang gerissener Paragraphen und Urteile bestand, gefolgt von für die „Verfassungsgebende Versammlung“ typischen Ausführungen, wie z.B. über die „Länderkennziffer 276“ der BRD nach der Wiedervereinigung zweier „Besatzungskonstrukte“. Nach Werbung für das „Referendum der Verfassungsgebenden Versammlung“ schloss er seine Ausführungen mit der Aufforderung, keine Kampfansagen an die USA, sondern erst die Hausaufgaben zu machen und ein „Verfassungsvolk“ zu versammeln. Im Gegensatz zu seinem Auftritt am 29. Juni 2022 in Oberhausen verzichtete Wieners in Düsseldorf auf den volksverhetzenden Verschwörungstopos von „Machtjuden“.[2]https://esreicht-ob.de/rechter-aufmarsch-am-29-06-22-in-oberhausen/ Nach weiteren Songs von „Master Spitter“, die diverse antisemitische Verschwörungserzählungen enthielten, zog die Demonstration zurück zum Bertha-von-Suttner-Platz, auf dem letztendlich nur knapp die Hälfte der gestarteten Demoteilnehmer*innen ankamen.


„Reichsbürger“ Sascha Vossen und Anhänger der „Verfassungsgebenden Versammlung“

Fazit

Es ist grundsätzlich problematisch, sich der Selbsteinschätzung extrem rechter und verschwörungsideologischer Gruppen anzuschließen, doch fällt es schwer, die Demonstration vom 4. Dezember in Düsseldorf anders zu sehen als Mitorganisatorin Juliane „Jules“ Hermann es in der Telegram-Gruppe der „Ruhrpottlöwen“ mit drei Tagen Abstand tat: als das „Düsseldorfer Demo Fiasko“ für die Organisator*innen und insbesondere für Flach.

Der Zug durch die an einem Sonntag überwiegend menschenleeren Straßen hatte mit der „richtige gute[n] alte[n] Demo, so wie sie früher war, so wie wir sie geliebt haben“, gar mit Bengalos und Tausenden von Teilnehmer*innen, wie Carolus Flach es seinen neuen „Brüdern und Schwestern“ im Ruhrgebiet in Aussicht gestellt hatte, nichts gemein. Spannungen zwischen den anwesenden Gruppen und innerhalb des Organisationsteams waren spürbar und durch den Verlust von Teilnehmern*innen im Verlauf der Demonstration messbar. Die Anmeldezeit bis 19:00 Uhr wurde bei weitem nicht ausgenutzt, sondern sie strichen bereits um 15:45 Uhr die Segel bzw. Fahnen. Für Flach dürfte dieser Misserfolg mit einem deutlichen Status- und Machtverlust in Essen und Oberhausen einhergehen. In den vergangenen Wochen waren verstärkt religiöse Töne von Flach zu vernehmen, auch wenn nicht immer klar ist, welche Gottheit(en) sich seiner Gefolgschaft sicher fühlen können – er mischt „Julkranz“, „Thor“, „Jesus Christus“ und „Odins Krieger“ munter in seinen Posts und Sharepics, die er teilweise auch mit Bibelverweisstellen bereichert. Flach sprach am 19. November 2022 davon, dass sein Leben sich vor vier Wochen, also um den 22. Oktober radikal geändert habe und er seitdem „mit Jules [=Juliane Hoffmann] UND JESUS CHRISTUS IM LICHT IM WIDERSTAND IN ESSEN BORBECK“ [Hervorheb. im Original] laufe. Beides war auch in Düsseldorf deutlich: Flach trug entweder die übergroße schwarze „Gott mit uns“-Fahne oder eine kleinere weiße mit der Aufschrift „Christus Wahrheit & Liebe“ und suchte augenfällig die Nähe zu der als christlich-religiös bekannten Hermann. Am Abend nach der misslungenen Versammlung verkündete Flach in der Telegram-Gruppe der „Ruhrpottlöwen“ seinen Abschied vom Leben als Hooligan und seine Hinwendung zu Jesus: „Meine Lösung ist das ich meine freie Mensch als Hooligan niederlege werde und als Kind Jesus Christus für die Sicherheit unsere Frauen und Kinder Eltern und Großeltern und wahre Freunde auf die Straße gehen werde und mir mit den Verfassung Ebene Referendum gehn werde und durch mein Glaube im Jesus Christus were ich als Kind Gottes auf die Straße gehen uns aufklären ohne Gewalt“. In diesem Sinne löste er zum wiederholten Male seine Organisation bzw. One-Man-Show „Hooligans Europe United“ auf. Er habe festgestellt, so „Flecky“, dass Menschen immer noch Angst vor Hooligans hätten – und das sei dem Widerstand abträglich. Darum werde er fortan nur noch als „Privatperson“, als „freier Mensch“ anzutreffen sein.

Trotz der Einschätzung als Fiasko darf nicht unbeachtet bleiben, dass es sich mit anfangs 75 Teilnehmer*innen, darunter mindestens 20 aus gewaltbereiten Zusammenhängen bekannte Personen, um eine der bisher größten Versammlungen mit maßgeblich extrem-rechter Beteiligung im Jahr 2022 in der Landeshauptstadt handelte. Obschon die Demonstration mit drei Wochen Vorlauf bekannt angekündigt wurde, verzichtete ein antirassistisches Bündnis aus Düsseldorfer Gruppen darauf, Widerstand oder nur Protest gegen den Aufmarsch zu organisieren, wie auch die unzähligen rechts-offen, antisemitischen, verschwörungsideologischen Veranstaltungen von Pandemieleugner*innen – von Kleinstgruppengegenprotest abgesehen – unbeantwortet bleiben, obwohl das bis ins rechtsterroristische Lager reichende Potential dieser Szene seit Beginn der Pandemie von Antifaschist*innen immer wieder betont wird.

References

References
1 https://www.ddorf-aktuell.de/2022/12/04/duesseldorf-mini-demo-von-rechtsradikalen-unter-dem-motto-ami-go-home-halbiert-sich-kurz-nach-dem-start/
2 https://esreicht-ob.de/rechter-aufmarsch-am-29-06-22-in-oberhausen/
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